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Wurzeln des Extremismus

WERNER SCHMIDT, NWZ vom 06.10.2014

Die Wurzeln des Extremismus

In der Reihe "Querdenken ermöglychen" am Göppinger Mörike-Gymnasium brachte Professor Kurt Möller von der Hochschule Esslingen den Rechtsextremismus auf eine mathematisch anmutende Formel.

Rechtsextremismus ist wie ein Eisberg: Nur die Spitze ist sichtbar. Der große, massive Rest schwimmt unsichtbar unter der Oberfläche. In der Reihe "Querdenken ermöglychen" des Göppinger Mörike-Gymnasiums und einigen Kooperationspartnern brachte Professor Kurt Möller von der Hochschule Esslingen Rechtsextremismus auf die Formel: "Rex gleich Uvo plus Gak." Klingt wie eine mathematische Gleichung, ist aber keine. Denn mathematisch ist Rechtsextremismus nicht oder nur schwer zu erfassen. Aber soziologisch: Denn Rex (Rechtsextremismus) ist gleich Uvo (Ungleichheitsvorstellungen) plus Gak (Gewaltakzeptanz). Wer also glaubt, er sei besser als andere und gleichzeitig Gewalt gegen diese ihm aus seiner Sicht nicht gleichwertigen Menschen befürworte, ist per Definition rechtsextrem.

Gewalt sei dabei auch "strukturelle oder institutionelle Gewalt", sagte Möller. "Diese Form der Gewalt ist viel effektiver als auf die Schnauze hauen", machte Möller den zahlreich erschienen Schülern, Eltern und Lehren in der Mensa des Mörike-Gymnasiusm drastisch klar.

Zu den Uvos zählen Möller zufolge Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, aber auch Sozialdarwinismus, Nationalismus und das als Chauvinismus bezeichnete Überlegenheitsgefühl, aber auch die Verharmlosung des Nationalsozialismus und die Befürwortung einer autoritären Diktatur nach dem Motto: "Einer muss das Heft in der Hand halten." Wobei laut Möller immerhin jeder sechste Deutsche der Meinung sei, das Land brauche eine starke Partei, die die "Volksgemeinschaft repräsentiert". Was immer das sein möge.

Möllers Forschungen zufolge sind Menschen mit geringer Bildung anfälliger für Rechtsextremismus, bilden aber in der Regel nur das Fußvolk. Denn in den Spitzen der rechtsextremen Organisationen seien durchaus Leute mit hoher Bildung zu finden. Grundsätzlich seien Menschen mit wenig Einfühlungsvermögen, die nie gelernt hätten, sich, ihre Taten und ihre Handlungen zu reflektieren, anfälliger für rechtsextremes Gedankengut. Hierbei spiele es wiederum keine Rolle, welchen Bildungsstand derjenige habe.

Das Problem seien letztlich auch nicht die "fünf sechs Hanseln, die demonstrieren", verwies Möller auf den eigentlichen Hintergrund der Veranstaltung. Denn Göppingen ist in der Vergangenheit Aufmarschplatz und Demonstrationsort für rechte Gruppen geworden. Da stelle sich dann immer wieder die Frage: Ignorieren oder dagegen vorgehen?

Gefährlich sei "der Rechtsextremismus in uns. Rechts ist in der Mitte." Die wenigen Stimmen, die rechtsextreme Parteien bei Wahlen erhielten, spiegelten nicht die Realität. Vielmehr wählte die deutliche Mehrzahl der Rechtsextremisten eine der großen Volksparteien wie CDU/CSU oder SPD, machte Möller klar, der seit mehreren Jahrzehnten unter anderem Rechtsextremismus erforscht.

Viele Jugendliche fänden zum Rechtsextremismus durch das Gefühl, das eigene Leben nicht im Griff zu haben, durch Perspektivlosigkeit und das Gefühl, nicht dazu zu gehören, aber auch aufgrund von "Sinnlichkeitsbeschränkungen" wie fehlende Lebensfreude und die nicht vorhandene Freude an ganz alltäglichen Dingen wie einem schön gedeckten Tisch, einem gemeinsamen Essen oder einem Sonnenuntergang: "Ihnen bleibt nur die Sinnlichkeit der Gewalt!", machte Möller klar.

Hier müsse auch die Schule eingreifen: "Wir müssen den Alltag in der Schule so gestalten, dass die Jugendlichen Sozialkompetenz entwickeln können." Mit Repressionen zu reagieren, sei nicht die Lösung, denn "Jugendliche haben das Recht auf Entwicklung", sagte Möller; aber die Schule sollte sich fragen, wie sie den Unterricht gestalte, um den Jugendlichen Selbsterfahrung und Erfolgserlebnisse zu ermöglichen - zum Beispiel den Stolz, etwas hergestellt zu haben und in den Händen zu halten.

Möller erinnerte sich an seine eigene Jugendzeit, als ein Mitschüler mit 14 schon stolzer Eigentümer eines selbst bezahlten Mofas war: "Er arbeitete bei einer Baufirma." Eines Tages habe dieser Mitschüler ihn verbotenerweise auf dem Gepäckträger des Mofas mitgenommen und ihm voller Stolz jedes einzelne Schlagloch in der Straße gezeigt, das er mit den eigenen Händen geflickt hatte.